Verborgenes sieht man nicht. In den fotografischen Aufnahmen von Daniel ist es dunkel, nur schwerlich sind Objekte in der Landschaft auszumachen. Die Lichtquelle bleibt unerkannt. Oder, wenn sie vorhanden ist, werden im Gegenlicht die Strukturen des dunklen Gesträuchs zu einer einheitlichen Form. Suchend ist das Auge, das zu differenzieren versucht. Daran stellen die Bilder einen hohen Anspruch. Passagenweise gelingt es schnell und einfach, dann wieder schluckt die Dunkelheit das Differenzierungsvermögen. Kompositorisch sind die Bilder jedes für sich mit Spannung geladen. Mit dem Verhältnis von Schärfe und Unschärfe wird die Raumtiefe im Bild ausgelotet.
Daniel hat sich ins Gestrüpp aufgemacht, der Fotograf selbst steht dort, wo man ihn nicht sieht, im Verborgenen, mittendrin, und liefert quasi die Innenansichten eines Waldes. Es ist das Wesen der Fotografie, dass der Fotograf hinter der Kamera selbst unsichtbar bleibt, nicht im Bild erscheint. Dennoch sagt das Bild etwas über seine Anwesenheit aus, mittelbar, denn ohne ihn gäbe es das Bild nicht. Er wählt den Bildausschnitt, macht sich Gedanken über den Fokus, die Belichtung, inszeniert, steht mit der Kamera in etwa am gleichen Ort, am Ort der Aufnahme. Die Serie folgt einer Reihe von Arbeiten, die 2010 im Rahmen der Diplomarbeit an der Fachhochschule Bielefeld entstanden sind. Damals waren die menschlichen Eingriffe in die Natur das Thema, in minimalistischer Weise, als leichte Irritation im Bild, der Blick ebenso direkt, aber distanzierter im Verhältnis zum fotografierten Objekt. Nun steht der Fotograf mitten drin, in der Natur. In den aktuellen Arbeiten, die in der Nähe des Sportplatzes von Reichenbach bei Gengenbach entstanden sind, geht es in noch viel höherem Maße um die Auslotung der Wahrnehmungsfähigkeit und die Blicklenkung im Bild, aber auch um das Eintauchen und Mittendrin sein. Dafür ist die abgebildete Gestrüpp-Natur das Mittel zum Zweck. Die Lichtquelle ist in einigen Arbeiten angedeutet, es sind die Flutlichter des Sportplatzes. In einer Aufnahme, die eine gewisse Farbigkeit über das vorherrschende Grün-Schwarz hinaus zulässt, ist der Zaun sichtbar.
Technisch gesehen ist jeder Auslöser ein Treffer, die verwendete Kamera eine Großformat-Kamera, mit der prinzipiell ein größerer Detailreichtum, Schärfe, Farbenreichtum und Tonabstufungen in der Aufnahme möglich ist. Es ist 2 noch der Anspruch an die Fotografie vorhanden, wie er früher, vor der Digitalfotografie, Gang und gäbe war, dass man zuerst das Motiv prüft und dann den Auslöser betätigt. Dieser Anspruch tut den Bildern gut, er steigert die Wertigkeit und beugt der Entwertung durch Bildinflation vor. Es entfällt auch das mühselige Aussortieren von tausenden Bildern im Anschluss an das Fotografieren und liefert dazu noch die Spannung, ob die Aufnahmen etwas geworden sind. Der Anspruch liegt in den Fragen, „Was will ich?“, „Wie soll mein Bild aussehen?“ Sie führen in der Konsequenz zu den hier ausgestellten Bildern.
Hinausgehen ins Gestrüpp, die Wahrnehmbarkeit herausfordern, ist das eine, das andere sind experimentelle Aufnahmen. Sie fordern noch einmal mehr die Wahrnehmbarkeit heraus, stellen Fragen. Mit was für Gebilden haben wir es zu tun, die da so bläulich in tiefem Dunkel schimmern, wie Meteoriten oder ferne Planeten? Zerklüftet, uneinheitlich, raue Oberfläche, rundlich. Hier ist das Bild ganz und gar inszeniert, die Objekte sind selbst hergestellt, soviel sei verraten. Die mysteriöse Aufnahmesituation ist völlig unkenntlich, keinerlei Raum, keine Lichtquelle sichtbar, nur das umgebende Dunkel und das spärlich beleuchtete Objekt, das den Eindruck von Räumlichkeit durch Schattenwurf allein erzeugt. Was sichtbar ist und was verborgen.
Text von Dr. Susanne Ramm-Weber, Kunstwissenschaftlerin und Slavistin, Offenburg
ramm-weber@t-online.de